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Sassen, Saskia (2006); „Territory. Authority. Rights. From Medieval to Global Assemblages“

In einleitenden Überlegungen zu vorliegendem Werk kritisiert Sassen zwar die ungebrochene Dominanz des Nationalstaates in den Überlegungen sozialwissenschaftlicher Theoretiker, räumt aber im selben Atemzug ein, dass – im Gegensatz zum modernen demokratischen Nationalstaat – globale Institutionen einfach nach wie vor unterentwickelt sind. Dementsprechend relevant ist dieser Akteur auch in folgenden Gedankengängen zu Territorium, Herrschaft und Recht.

Alle diese Konzepte sind – wie zum Beispiel auch Ökonomie und Sicherheit – und werden auf der Ebene des Nationalen konstruiert; und so spielt diese Ebene selbst im Kontext der so genannten und viel zitierten denationalisierenden Prozessen eine wesentliche Rolle. „A good part of globalization consists of an enormous variety of micro-processes that begin to denationalize what had been constructed as national […]. Sometimes these processes of denationalization allow, enable, or push the construction of new types of global scalings of dynamics and institutions; other times they continue to inhabit the realm of what is still largely national.”[1]


[1] Sassen, Saskia; S. 1

Sassen kritisiert vorderhand die Blindheit eines Großteils der Globalisierungsdebatte; diese würde sich ausschließlich auf die globale Ebene konzentrieren, nicht aber auf Prozesse der De- (siehe Ökonomie) oder der Renationalisierung (siehe Migration). Es sei wohl viel komplexer als das viele andeuten würden.

Und zu einer zentralen Komponente dieser nationalen Ebene schließt sie dementsprechend an: „[T]erritories […] have largely been constructed in national terms in much of the world“[1], und demzufolge sind sie ganz einfach Teil der Globalisierung; auch wenn sie auf nationaler oder subnationaler Ebene verankert sind, so orientieren sie sich doch zunehmend in Richtung globaler Agenden und Systeme aus. Globalisierung als wachsende Interdependenzen, als Hervorbringen globaler Institutionen, als Bedeutungsverlust von Nationalstaaten zu skizzieren, ist – wenn man damit überhaupt konform geht – maximal eine Beschreibung, hat jedoch keinerlei erklärenden Wert.

 

Territorium ist bei Sassen eine komplexe Institutionalisierung, historisch konstruiert, konstituiert durch spezifische Prozesse, und Resultat konkurrierender Interessen. Relevant für den jeweils spezifischen Charakter ist u.a. der Grad der Formalisierung und Institutionalisierung.

Sassen will durch die Analyse des Dreiecks Territorium, Herrschaft und Recht(e) – relevant für sowohl das Nationale, als auch für das Globale – die endogeneity trap, in die der Großteil der Globalisierungstheoretiker tappt, entschärfen. Als zentrale Schwierigkeit bzgl. der Analyse gegenwärtiger politischer Konstellationen ist – nach Sassen – „the historical assemblage represented by the nation-state and the state-centric interpretation of history that has dominated the social sciences“[2].

Territorium wurde meist als exklusiv nationale Komponente betrachtet; in der Vergangenheit noch von einer Vielzahl an Systemen dominiert, sicherte sich der nationalstaatliche Souverän exklusive territoriale Souveränität/Monopolstellung; von diesem Punkt an, “this territory is constructed as coterminus with that authority“[3]. Würde man die Konstellation jedoch unvoreingenommen und genauer betrachten, würde man bemerken, dass die veränderten Konstellationen im Zusammenspiel von Territorium-Herrschaft-Recht(e)[4] diese als „natürlich“ angenommene Komponenten als „unnatürlich“ entlarven („denaturalizes what has often unwittingly become naturalized“[5]). Geschichte ist „nur“ ein natürliches Experiment, das es uns – bei näherer Betrachtung – erlaubt, Diskontinuitäten zu verstehen, und Zeuge davon zu werden, dass diese einen Transfer gegebener Leistungen in den Kontext neuer Organisation ermöglichen („Leistungen“ sind an dieser Stelle gesellschaftliche Produkte, entstanden aus Handeln, Konkurrenz, Konflikten und geschichtlicher Entwicklung).

 

 

Zur Konstituierung des Nationalen

 

Um der Konstituierung des Nationalen auf den Grund zu gehen, begibt sich Sassen auf historisches Terrain, und verfolgt den Entwicklungsstrang von in einer Herrscherperson verankerten Herrschaftsformen des Mittelalters (Feudalismus, Kirche, Imperien), hin zu Herrschaftsformen, die sich ausschließlich auf ein exklusives Territorium beziehen und berufen. Sie stellt (sich) die Frage, ob sich die Dominanz des Territorialstaates aus schon bestehenden Leistungen des Mittelalters heraus entwickelten?

Ihre diesbezügliche, verneinende Hypothese lautet: „[T]he complex and abstract notion of the legitimate authority of the national territorial sovereign does not represent a radical innovation of the postfeudal order.“[6]

 

Sassen gibt schon die Herausbildung städtischer Herrschaftsbereiche als Beispiel der spezifischen Festlegung von Territorium als Folge der Notwendigkeit geregelter Handelsbeziehungen an. Die Etablierung des modernen Staates ist (auch) eine Folge der Formierung einer weltumspannenden Ökonomie seit dem 16. Jahrhundert, steht also eng in Verbindung mit der Herausbildung des (globalen) Kapitalismus.

 

 

Framing the National

 

Aber wie kommt es von territorial kaum bis gar nicht definierten Herrschaftsformen, über die Herausbildung erster klar abgegrenzter vorstaatlicher Territorien, zu der Entwicklung des modernen Nationalstaates? Sassen versucht, die Entwicklung des Nationalstaates aus feudalen – bereits bestehenden – Strukturen heraus, nachzuzeichnen.

Im Mittelalter dominierte eine plurale Logik die politische Geographie; drei Formen politischer Organisation existierten teilweise nebeneinander, sich oft in ihren Einflussbereichen überschneidend: Feudalherrschaft, Kirche und Kaiserreich. Den dezentralen Tendenzen des Feudalismus wirkten die zentralisierenden Tendenzen von Kirche und Kaiser entgegen. Aus dieser stark von gegenseitiger Konkurrenz geprägten Konstellation entwickelte sich im Zuge der Herausbildung des Kapitalismus der Territorialstaat als dominante Logik zur Organisation von THR. Sassen unterstreicht diesbezüglich vor allem den prozessualen, kontinuierlichen Charakter dieser Herausbildung; es sei ganz sicher nichts revolutionär Neues, sondern ganz einfach die Weiterentwicklung verschiedener Arten ökonomischer Transaktionen (Kriege, Allianzen, Heirat, Handel, etc.), die eine konstitutive Rolle schon für die feudale Konstellation spielten, und nun zum Niedergang selbiger beitrugen.

Es bestand noch eine Vielheit territorialer Dominanz, es herrschte noch keine festmachbare exklusive territoriale Herrschaft, aber sich überschneidende Rechtssprechungen. Einzig einzelne Städte konnten sich auf eine eingeschränkte exklusive territoriale Monopolstellung in ihrem Gebiet berufen. Diese einzigartige Stellung von Stadtgebieten begleitet und unterstreicht in weiterer Folge Sassen’s Argumentation, die auf ein bemerkenswert höheres Maß an Zentralismus, je höher „the levels of standardized monetization of transactions“[7], hinausläuft. Vor allem die Hansestädte, deren Wohlstand auf den Handel von Luxusgütern in relativ weit entfernte Destinationen zurückzuführen war, und die ausnehmend hohe Profitraten produzierten, grenzten ihr Territorium klar ab, und verwalteten dieses möglichst zentral.

 

Feudale Herrschaft war auf/durch zweierlei Obligationen begründet:

  1. Eine reziproke militärische Obligation (der Schwächere sucht Schutz, und bietet im Gegenzug seine Kriegsdienste an),
  2. Landbesitz (noch nicht im Sinne von Eigentum!).

 

„[T]he feudal order was not defined by phsical location; nor did territory determine identity and loyalty.“[8] Die Stellung/Position von Individuen oder Gruppen bezog sich also ausschließlich auf das diese umgebende System persönlicher Beziehungen und (Abhängigkeits-)Verhältnisse, in keinem Fall jedoch auf die Lokalisierung innerhalb eines bestimmten Territoriums.

 

Eine zentrale Rolle in der Herausbildung zentraler und exklusiver Herrschaft über ein gegebenes Territorium spielten die sich entgegenstehenden universalistischen Ansprüche vonseiten sowohl der Kirche, als auch des Kaisers; beide meldeten diese darauf an, die einzige Quelle ultimativer Herrschaft zu sein. Beide beruhten auf einer materiellen Infrastruktur in Form des Einflusses auf Städte und andere administrative Knotenpunkte; die einende und übergreifende Komponente sollte der Glauben, die Führungsperson, o.ä. sein. „[E]ach implemented a view of final authority. But they were not territorial.”[9]

Sassen verweist auf Joseph R. Strayer[10], der in diesem „clash between the universalist modes of organization of church and empire [… the] basis for the emergence of sovereign territorial states”[11] sieht.

 

Erste Ansätze bezüglich eines bestimmten Territoriums hatte es wohl schon gegeben, zum Beispiel in Vaterland-Konzeptionen des mittelalterlichen Westeuropas (beginnend im 13. Jahrhundert an zum Beispiel der Pariser Universität in Debatten zwischen Philosophen und Rechtswissenschaftern). Doch auch diese waren meist stark auf eine bestimmte Gemeinschaft abzielend, und erwähnten ein festgeschriebenes Territorium maximal in Fußnoten.

Im 15. Jahrhundert wurde Territorium vorderhand mit Städten assoziiert, und als solches materialisiert; „cities primarily as ‚containers’ for the circuits of capital and states primarily as ‚containers’ for means of coercion”[12]. Und hierin liegt – die Autorin bezieht sich dabei auf Charles Tilly – auch die praktische Wurzel territorial verankerter Staatlichkeit. Der Staat versuchte, mithilfe der ihm zur Verfügung stehenden Gewaltmittel, diese aufkeimenden kapitalistischen Prozesse, diese Zirkulation von Kapital im städtischen Bereich unter ihre Kontrolle zu bringen, um davon zu profitieren. „In fact, for Tilly, this tension between state and capitalist power projects is fundamental for any understanding of the further development of state forms, and forms the basis of his distinction among capital-intensive, coercion-intensive, and capitalized-coercion path to state-building.”[13] (aufgrund mangelnder Relevanz soll an dieser Stelle nicht weiter auf diese dreipolige Unterscheidung eingegangen werden; Anm.)

 

Bezüglich der Herausbildung von Grenzen stand ein Konflikt im Zentrum, jener zwischen dem Kaiser und dem Heiligen Stuhl. Ersterer positionierte sich gegen die zentralisierte Autorität des Letzteren; dieser wiederum forcierte seine (intern) stark hierarchische Struktur, um nicht zugunsten der einzelnen Bistümer an Einfluss einzubüßen. Diese wehrten sich naturgemäß – in Zusammenarbeit mit den jeweils an- oder eingeschlossenen Städten – dagegen. Es standen – um das verkürzt zusammenzufassen – jegliche politischen Kräfte entgegen der zentralen und zentralisierenden Herrschaftsausübung der Kirche; einen dementsprechend relevanten Einschnitt stellte die Reformation dar, die ein Ende der universalistischen Interpretation des Christentums nach sich zog, oder zumindest anpeilte.

Die bürgerliche Basis sorgte auf der anderen Seite für Widerstand gegen zentralistische staatliche Tendenzen. Sowohl die weltlichen, als auch die geistlichen Herrscher suchten Unterstützung bei Vertretern früher territorialer Herrschaftsformen. Deren so erzielte Stärkung führte zu einer Fragmentierung, wirkte einer Zentralisierung folglich entgegen[14].

Es entwickelten sich jeweils sehr verschiedene Modi der Organisation und Rechtfertigung von Recht und Herrschaft.

Doch angetrieben wurde die zunehmende territoriale Herrschaftsorganisation durch ein rasantes Wirtschaftswachstum, das bereits im 11. Jahrhundert seinen Anfang genommen hatte. Im darauf folgenden Jahrhundert kam das Wachstum des Fernhandels hinzu, genauso wie die „associated monetization of economic transactions […]. Monetization, trade, and the growing wealth and numbers of towns altered the political organization“[15], bzw. der unbedingte Bedarf nach einer politischen Ordnung und Strukturierung der kapitalistischen Produktions- und Akkumulationsprozesse.

 

Quentin Skinner[16] sieht in der Emanzipation der Politik von der Theologie eine Grundvoraussetzung für das moderne Konzept von Staat, allerdings nicht ohne direkt verfolgbare Entwicklungslinie aus den feudalistischen Strukturen des Mittelalters heraus; Ressourcen und Legitimität verdankten die Territorialherrscher nämlich jenem, den sie auf Grundlage dieser dann „herausforderten“, dem Papst. Das Konzept Staat sollte bald als „a strong autonomous base for secular authority“[17] dienen.

 

Im Kontext der komplexen und vielschichtigen Konfliktlinien rund um kollektiver vs. privater Besitz, persönliche vs. öffentliche Herrschaft, göttliches vs. säkulares (römisches) Recht, territoriale bürgerliche Herrschaft vs. Anspruch auf autoritäre Herrschaft, war (in Frankreich) vor allem das Königsgeschlecht der Kapetinger führend bezüglich der Herausbildung und Etablierung des Organisationsprinzips Staat. Sie etablierten also ein Organisationsprinzip, welches nicht auf persönlichem Besitz oder universaler Dominanz basierte, und welches außerdem in Opposition zu den eigentlich stärkeren Feudalherren stand.

Ein oder vielleicht der(!) Hauptgrund für den trotz aller Widrigkeiten eintretenden Erfolg des Kapetinger’schen Systems entsprang der auf Steuer(einnahme)n abzielenden Bürokratie. „Taxation became a key mechanism for the development of a centralized administration. […] The efficiency of a bureaucracy depends on the effectiveness of its taxation system, and vice versa.“[18] Im späten Mittelalter hatte ein effektives Steuersystem eine ganze Reihe an nicht unwesentlichen Problemen zu überwinden; das Niveau der Netto-Produktion stagnierte fast, und eine entsprechend kleine Geldmenge war in Umlauf. Andere Möglichkeiten, Einkünfte zu lukrieren, waren „confiscation, coinage debasement, borrowing, and office selling.“[19] Mehr und mehr entwickelte sich ein immer effizienteres, ausgeprägteres Finanzsystem, welches seine Effizienz vermehrt unter der ordnenden Hand eines stabilen politischen Systems zu verstärken in der Lage war.

 

Aber: ein zentralisiertes, effektives Steuersystem einzuführen, stellte im Kontext einer nach wie vor höchst fragmentierten politischen Organisation eine enorm schwierige Aufgabe dar. „The process of scaling up can be threatened by any decrease in taxation capacities and reach, pushing toward decentralizing power. And decreases in taxation can result from multiple conditions independent from effective taxation, including cyclical tendencies.”[20]

Positive Auswirkungen auf dieses Projekt hatte hingegen die zunehmende Monetarisierung (neue Verwendungen von Geld, kleinere Relevanz von Landwirtschaft, etc.). Könige und andere Herrscher akzeptierten in zunehmendem Maße Geld anstelle von Leistungen, und es gab immer mehr staatliche Stellen, die ausschließlich mit Geld abgegolten wurden (vor allem für administrative, rechtliche, militärische und finanzielle Aufgaben wurde man vermehrt mit Geld, nicht mit Landbesitz, abgegolten).

Städte entwickelten sich zu zentralen Einnahmequellen, und wurden dementsprechend verstärkt in die Strukturen der zentralisierten Herrschaft eingebunden; Könige konnten diesen ganz einfach bessere Konditionen bieten als Herzöge und Grafen. „The expansion of towns produced a crucial infrastructure for the expanded monetization of transactions.“[21] Neben einem gewissen politischen Einfluss, profitierten die Städte aufgrund der Einbindung in ein geordnetes politisches, infrastrukturelles und Sicherheitssystem; und: „Towns were interested in maximum independence, which meant they preferred the more rational, central administration of royal protection to that of lords.“[22] Vor allem schloss dieses Organisationsprinzip auch sich überschneidende Abhängigkeiten und Verpflichtungen aus.

 

Jene königlichen Repräsentanten, die für das Einheben von Steuern verantwortlich zeichneten, wurden vermehrt aus den Reihen der Bürger und des niederen Adels rekrutiert. Hinzu kam in weiterer Folge eine immer stärkere Hierarchisierung und Verdichtung der Verantwortlich(keit)en. Die zentralisierte Bürokratie expandierte sehr bald, griff also in immer mehr Bereiche ein.

Mit der wieder erstarkten Wirtschaft (vor allem auch der Städte) wurde den Städten spezifischer Schutz, inklusive spezifischer Steuerarrangements gewährt, es kam zu einer zunehmenden Institutionalisierung im Kontext klarer Regelungen betreffend die Austauschverhältnisse. Dies alles ging einher mit/wurde mitgeprägt von und in zunehmendem Maße auch abgestimmt auf den Aufstieg des Bürgertums. Städte als Hochburgen, und in gewisser Hinsicht auch „Interessenvertreter“ des Bürgertums wurden zu sehr signifikanten Akteuren innerhalb der festgeschriebenen Formation territorialer Regime.

 

Sassen sieht zwei Charakteristika der städtischen Positionierung – in deren jeweiliger territorialer Kontexte – als zentral für die Grundierung, für die Fundierung der Formation und Herausbildung von Territorien und territorialer Herrschaft (im Gegensatz zu Tilly):

  1. Stadt als zentraler Ort lokaler Ökonomien,
  2. Stadt als Knotenpunkt in einem Netzwerk mehrerer Städte, und von Kapital-Zirkulation.

 

Die politische Relevanz von Städten beweist beispielsweise die Tatsache, dass einige von ihnen ausgerechnet als Unterzeichner des Westfälischen Friedens – eigentlich häufig als „Geburtsstunde des Systems von Nationalstaaten“ zitiert – in Erscheinung traten.

 

Für das Entstehen neuer Städte, beziehungsweise das Wachstum bereits existenter, zeichnete die Expansion von Handel verantwortlich. Vor allem der Fernhandel zog einen Zustrom in große Metropolen nach sich; gepaart mit der Notwendigkeit, aufgrund zunehmender Spezialisierung, geballte finanzielle Möglichkeiten zur Verfügung stellen zu müssen. Die alles in allem gesteigerten finanziellen Kapazitäten standen zu einem Gutteil der Implementierung eines zentralistischen Staatsapparates zur Verfügung.

Nur stichwortartig müssten in diesem Zusammenhang das vermehrte Aufkommen freier Arbeit, neue Formen von Besitztum (Eigentum), die Renaissance urbanen Lebens, die Formation einer kommerziellen Bourgeoisie, etc. genannt werden.

 

Kurz zusammengefasst könnte man die Entwicklung wie folgt skizzieren: die ökonomisch aufstrebenden Städte benötigten den Schutz für sich und ihre Handelsrouten, „[a] large, centralized state with effective authority over ist territory would […] be more effective than a series of feudal lords.“[23]

 

An diese Ausführungen der konsequenten Versuche, die Gewinne abwerfenden kapitalistischen Produktionsprozesse unter seine Herrschaft zu bringen, und damit für sich zu gewinnen, schließt Sassen – leicht relativierend – allerdings an, dass eine territoriale Monopolstellung dennoch nie zu einer völligen Eingrenzung der kapitalistischen Produktionsweise führte, bzw. führen konnte. „[N]o state was ever completely able to contain the entire geography of capital within ist own geography of coercion.”[24] Einerseits weil in diesem Falle sofort Konkurrenten versuchten, Teile des Kapitals mithilfe von Außenhandelsstellen o.ä. streitig zu machen, andererseits, weil Kapital ganz einfach externe Austauschpartner benötigte, um seine Kapazitäten möglichst gut auszuschöpfen.

 

 

Fazit

 

Sassen’s Fazit bezüglich der Herausbildung moderner Nationalstaatlichkeit direkt aus dem feudalistischen System(en) des Mittelalters heraus fokussiert also auf vier critical medieval capabilities:

  1. Der Territorialstaat entstand trotz noch relativ schwacher zentralistischer Herrschaft. „[T]he weak Capetian kings […] implemented key elements of a centralized bureaucracy that created a grid for partial control over what was a sharply fragmented territorial and political organization with many actors far more powerful than the kings.”[25]
  2. Das “Herzstück” dieses Prozesses war die Bildung einer staatlichen Bürokratie um Einnahmen heraus zu ziehen, zu einem Gutteil aus institutionalisierten Steuerstandards. Daraus entwickelte sich der Staat zum wichtigsten wirtschaftlichen Akteur. (Diese Ausbeutung erst barg die Möglichkeit für den Aufschwung des nationalstaatlichen Kapitalismus in sich.)
  3. Die Herrschaftslegitimation entwickelte sich auf direktem Wege aus der unantastbaren Herrschaft des Souveräns zu Zeiten der Feudalherrschaft.
  4. Eine ganz wesentliche Komponente geht auf die spezifische politische Ökonomie urbaner Territorialität zurück; diese zeigte die Möglichkeit eines einheitlichen Systems ziviler Freiheiten und Rechte, im Rahmen einer säkularen und konstitutionellen Herrschaftsform auf.

 

Alles in allem läuft die Argumentationslinie darauf hinaus, dass städtische Territorialstrukturen, verstärkt untereinander vernetzt, als Basis für einen sich herausbildenden Territorialstaat dienten.


[1] Sassen, Saskia; S. 3

[2] Sassen, Saskia; S. 5

[3] Sassen, Saskia; S. 6

[4] Im Folgenden mit der Abkürzung THR benannt.

[5] Sassen, Saskia; S. 6

[6] Sassen, Saskia; S. 28

[7] Sassen, Saskia; S. 34

[8] Sassen, Saskia; S. 35

[9] Sassen, Saskia; S. 39

[10] Strayer, Joseph R. (1970); On the Medieval Origins of the Modern State

[11] Sassen, Saskia; S. 39

[12] Sassen, Saskia; S. 41

[13] Sassen, Saskia; S. 41 f.

[14] Vor allem in jenen dem Papst verstärkt entgegenwirkenden Ländern, Frankreich und England, des auslaufenden Feudalismus ist dieses Phänomen zu beobachten.

[15] Sassen, Saskia; S. 43

[16] Skinner, Quentin (1992); The Foundations of Modern Political Thought 2

[17] Sassen, Saskia; S. 46

[18] Sassen, Saskia; S. 49

[19] Sassen, Saskia; S. 49

[20] Sassen, Saskia; S. 49 f.

[21] Sassen, Saskia; S. 51

[22] Sassen, Saskia; S. 52

[23] Sassen, Saskia; S. 57

[24] Sassen, Saskia; S. 59

[25] Sassen, Saskia; S. 72

 

 

Sassen, Saskia (2006); Territory. Authority. Rights. From Medieval to Global Assemblages; Princeton University Press; Princeton and Oxford.

 

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