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Schmitt, Carl (1950); „Das Recht als Einheit von Ordnung und Ortung“

Auf die problematische Distinguiertheit Schmitts in Bezug auf seine enge Affinität zum Nationalsozialismus sowie seiner fatalistischen Nähe zum negativ konnotierten Begriff „Geopolitik“ wurde in einem anderen Artikel schon hingewiesen. Es wird nun versucht den vorliegenden Artikel soweit als möglich sachlich zu exzerpieren und wieder zu geben. Auch wenn es sich nicht vermeiden ließ (ganz bewusst nicht) die persönliche – diametral zum schmitt´schen Ansatz stehende – Einstellung des Verfassers der vorliegenden Zusammenfassung zu verbergen.

Schmitt beginnt seinen Text zur Raumbetrachtung mit einer Darstellung seiner Ausgangslage, auf der seine Überlegungen aufbauen. Für ihn ist die Erde – typisches rechtsgerichtetes Denken: mythisch als Mutter alles Seienden gedacht – in dreifacher Weise die Wurzel von Recht und Gerechtigkeit. Erstens birgt die Erde in ihrer Fruchtbarkeit ein inneres Maß, das über Wachstum und Ernte die Mühen seiner Besteller gerecht belohnt. Zweitens weist die Erde feste Linien auf, die Ausdruck der Bearbeitung des Bodens durch den Mensch darstellen. Drittens trägt die Erde menschliche Räumlichkeiten (Häuser, Grenzsteine, Bauwerke, usw.), die Ausdruck von Ordnung und Ortungen menschlichen Zusammenlebens offenbaren. Dadurch werden Strukturen der Gesellschaft öffentlich sichtbar gemacht.

Aus diesen drei Faktoren leitet Schmitt ab, dass Recht erdhaft und daher auf die Erde bezogen ist. Diametral zu dieser „Grund und Boden“ Mentalität ist das Meer der Antipode dieser Betrachtung: „Das Meer ist frei.“[1] Es kennt keine der obigen drei Bedingungen und weist daher auch keine rechtlichen Implikationen auf. Dieser Perzeption folgend artikulierte sich das Völkerrecht und bezeichnete das Meer als eine freie autarke Fläche, die jedem – der es wagen sollte – Raum gibt, um seine Freiheit, durchaus auch auf Kosten anderer – auszuleben: sei es nun der Fischfang, friedliche oder kriegerische Schifffahrt oder gar Piraterie. Seit der Antike galt viele Jahrhunderte lang der Grundsatz: „Auf dem Meer gilt kein Gesetz.“[2]

Erst durch die Konstituierung großer Seereiche wurde auch auf dem Meer Sicherheit und Ordnung „geschaffen“. Diese „Seenahme“[3] wird von Schmitt als weltgeschichtliches Ereignis mit umwälzender Bedeutung beschrieben. Dennoch bleibt das Meer ein Spezialfall und Recht hingegen eine erdgebundene Ortung, die vor allem über Landnahme, Städtegründungen und Gründungen von Kolonien stattfindet.

Schmitt konzentriert sich in seinem Text auf die Betrachtung von Landnahmen „als einen rechtsbegründenden Ur-Aktes.“[4]

Wobei Landnahme das Recht in zwei Richtungen begründet. Zum einen nach Innen als ein Akt der rechtlichen Strukturierung der landnehmenden Gesellschaft und zum anderen nach Außen durch die rechtliche Abgrenzung und Determinierung zu anderen landnehmenden Gruppen und Mächten.

Die Landnahme – sowohl nach Innen als auch nach Außen – ist der erste Rechttitel par excellence, auf dem jede weitere Rechtsfolge begründet wird. Es schafft – so Schmitt – überhaupt erst die Voraussetzung für eine Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht. Demzufolge kommt diesem rechtlichen Landnahmeaspekt ein kategorialer Charakter zu. „So ist die Landnahme für uns nach Außen (gegenüber anderen Völkern) und nach Innen (für die Boden- und Eigentumsordnung innerhalb eines Landes) der Ur-Typus eines konstituierenden Rechtsvorganges. Sie schafft den radikalsten Rechtstitel, den es gibt, den radical title im vollen und umfassenden Sinne des Wortes.“[5]

Dieser rein positivistische Ansatz von Schmitt hat seine klare Schwäche darin, dass eine feindliche Landnahme kein normatives Problem darstellt, sondern von ihm als rein rechtlicher amoralischer Prozess betrachtet wird. Schmitt stellt lakonisch fest: „Die Besitzergreifung eines Landes ist […] Unterwerfung unter denjenigen, dessen Jurisdiktion der Boden untersteht. Die Herrschaft ist in erster Linie Herrschaft nur über das Land und erst in der Folge davon Herrschaft über die Menschen, die im Lande wohnen.“[6]

Schlussendlich leitete der Nationalsozialismus – unter anderem – daraus seine Legitimation der „östlichen Raumnahme“ ab.

Die Landnahme „enthält die raumhafte Anfangsordnung, den Ursprung aller weiteren konkreten Ordnung und allen weiteren Rechts. […] Aus diesem radical title leiten sich alle weiteren Besitz- und Eigentumsverhältnisse ab […].“[7]


[1] Schmitt, Carl (1950): Das Recht als Einheit von Ordnung und Ortung. In: In: Dünne, Jörg / Günzel, Stephan (Hg.) (2006): Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften. Suhrkamp: Frankfurt/Main, S. 410

[2] Schmitt a.a.O. S. 411

[3] Schmitt a.a.O. S. 411

[4] Schmitt a.a.O. S. 412

[5] Schmitt a.a.O. S. 414

[6] Schmitt a.a.O. S. 415

[7] Schmitt a.a.O. S. 416

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